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Übung

 

Fallbeispiel Mai 2013
von Christl Oelmann

03-2013

Veronikas Mutter kommt in die Beratung mit folgendem Problem:

Veronika ist nicht dumm, aber im Unterricht, wenn sie etwas gefragt wird, und auch bei Hausaufgaben, wenn man mit ihr lernt, verfällt sie sofort in eine Art „Prüfungsstarre“ und selbst Dinge, die sie weiß, fallen ihr dann nicht mehr ein.
Woher kommt das, was kann man tun?

Was meinen Sie?

Deutungsvorschlag für
Fallbeispiel Mai 2013
von Christl Oelmann

Abkürzungen:
Konj. = Konjunktion
Opp. = Opposition
Qua. = Quadrat

Frage:
Veronikas Mutter kommt in Beratung mit folgendem Problem: Veronika ist nicht dumm, aber im Unterricht, wenn sie etwas gefragt wird, und auch bei Hausaufgaben, wenn man mit ihr lernt, verfällt sie sofort in eine Art „Prüfungsstarre“ und selbst Dinge, die sie weiß, fallen ihr dann nicht mehr ein. Woher kommt das, was kann man tun? Was würden Sie ihr sagen?

Veronika
Beginnen wir mit Veronikas Horoskop und suchen hier die für die Frage relevanten Faktoren. Es handelt sich um wissen, lernen, denken, und, ganz wichtig, um kommunizieren, miteinander reden. Aber auch, bei einer „Prüfungsstarre“, um Angst. Merkur, das 3. Haus und Saturn sind also zunächst mal die wesentlichen Punkte und auch das 6. Haus, Veronikas Alltag, ihr Arbeitsplatz, d.h. die Schule.

Merkur in Widder, weit von der Sonne entfernt und im 7. Haus, zeigt ein Mädchen mit schnell wechselnden Ideen, spontanen Einfällen, vielseitig interessiert, aber auch schnell gelangweilt, weil es meint, schon alles begriffen zu haben (Widder). Es ist ziemlich selbstkritisch und neigt eher zu objektiven Gedankenabfolgen (Merkur weit von der Sonne entfernt), doch da er im 7. Haus steht, ist es Veronika sehr wichtig vor anderen mit diesem Merkur zu „glänzen“. Sie möchte vom Gegenüber über ihr Wissen, ihre Ideen und guten Einfälle beurteilt werden, was durch das Qua zum Mond im 10. Haus noch verstärkt wird. Denn zum einen ist das 10. Haus in Zwillinge angeschnitten, also eben dieser Merkur der Herrscher und zum zweiten zeigt der Mond im 10. Haus Veronikas Wunsch und Sehnsucht in der Öffentlichkeit, in der Gesellschaft wahrgenommen zu werden als „die Wissende“ (Merkur Herr von 10) und als die „Liebe, Nette“ (Mond in Krebs in Haus 10). Das 10. Haus ist für Kinder ebenso wichtig, wie für Erwachsene, nur dass für sie Öffentlichkeit als ihr schulisches und Gesellschaft als ihr privates Umfeld (z.B. Eltern der Freunde und Schulkameraden oder Freunde der Eltern) angesehen werden müssen.

Das 3. Haus wird von Skorpion angeschnitten und sein Herrscher Pluto wirft ein exaktes Trigon auf Veronikas Sonne / Venus/ MK-Konjunktion im 8. Haus. Wenn sie also lernt, dann hat sie den Anspruch des „Alles oder Nichts“ an sich, d.h. sie will die Dinge tiefgründig und vollkommen begreifen und erfassen, was aber weder dem Widdermerkur, noch der Sonne/Venus in Widder gut gefällt. Veronika lebt hier also mit einem richtigen Widerspruch in sich. Erschwerend kommt für sie noch hinzu, dass der Merkur ein Qua zum Mond wirft, d.h. sie lernt nur gut, wenn sie in der richtigen Stimmung ist und eben dieser Mond ein Trigon zu Uranus bildet und von daher der Freiwilligkeitsaspekt mit hineinkommt. Und - das ist ja bekannt - auch das Widderzeichen wird erst richtig stark, wenn es seinen eigenen Willen leben kann.
Wissen, Lernen und auch das zeigen, was sie kann und weiß, sind für Veronika also sehr wichtig, es ist sogar möglich, dass sie sich in diesem Alter darüber definiert. Doch gut geht das alles nur, wenn sie Lust dazu hat.
Wird sie von der Lehrerin etwas gefragt oder soll sie bei den Hausaufgaben ihr Wissen „beweisen“, fehlt etwa die Freiwilligkeit oder die richtige Stimmung, die Lust dazu.

Gehen wir jetzt zum Faktor „Prüfungsstarre“, den die Mutter beschreibt.
Wo sind Anzeichen für Angst im Horoskop zu finden?

Ganz prominent fällt sofort Saturn mit seinem Quadrat zum absteigenden Mondknoten und zur Sonne ins Auge. Saturn am absteigenden MK kann immer Versagensängste mit sich bringen, die Angst, nicht zu genügen, nicht gut genug zu sein, nicht vor anderen bestehen zu können. Da Saturn an der Spitze des 11. Hauses steht, (Freunde, Gruppen, Gleichgesinnte, also Schulkameraden) und über das 5. Haus herrscht (wie bringe ich mich mit dem, was ich kann, auf die Bühne) zeigt sich auch sofort, wo diese Ängste zum Tragen kommen.
Verstärkend wirkt der AC in Jungfrau (Herrscher ist Merkur!). Veronika zeigt sich der Welt eigentlich vorsichtig, zögerlich, ein wenig ängstlich und erst dann, wenn sie etwas restlos begriffen hat (im Griff hat). Und last, not least, ein Jupiter in Haus 2, mit sehr hohen Eigenansprüchen an ihre Fähigkeiten, Talente, an das, was sie kann.

Veronikas hoher Anspruch an sich und ihr Wissen, der große Wunsch, zu zeigen, was sie alles kann und weiß und gleichzeitig die oben erwähnten Ängste, dass sie eben NICHT genügt, nicht genug weiß, rufen sehr wahrscheinlich eine Art Lähmung hervor, wenn es darum geht, sich zu zeigen. Wenn sie also ihr Wissen unter Beweis stellen soll. Das 5. Haus, wie erwähnt in Steinbock angeschnitten, mit Chiron und Mars Konj. Neptun (Lähmung im Handeln) darin, zeigen das Thema noch einmal auf. Ich möchte noch einmal auf eine der Chironängste (hier im 5. Haus) hinweisen:
Wenn ich in dem Haus, in dem Chiron steht, wirklich meine Stärke zeige, was ich kann, wie gut ich bin, habe ich Angst, nicht mehr geliebt zu werden, keine Zuwendung mehr zu bekommen.

 Veronikas Mutter

05b-2013

Kein Kinderhoroskop darf eigentlich ohne das Horoskop (wenigstens) der Mutter gedeutet werden. Deshalb auch hier ganz kurz noch einen Blick auf deren Horoskop.

Sie ist doppelter Steinbock mit Merkur am AC im Qua zu Pluto. „Wissen ist Macht“ könnte ihr Leitspruch sein (und ist es auch, wie sie in der Beratung bestätigte). Ihr Geburts- und Sonnenherrscher Saturn, der gleichzeitig der Dispositor von Merkur ist, steht an der Spitze des 9. Hauses in Skorpion: Sie hat also ganz feste, vielleicht sogar fixe Vorstellungen über Wissen, Lernen, Schule, Hausaufgaben, einfach wie die Dinge zu sein haben. Und da die Lilith der Mutter eine Konj. mit Sonne, Merkur und AC bildet, mit einem Trigon zu Chiron im 3. Haus, sowie ebenfalls Veronikas Lilith eine Opp. zu Chiron im 5. Haus bildet, kann man vermuten, dass „Wissen und Können ist Macht“ ein Sippenthema sind (was Veronikas Mutter auch bestätigte). Außerdem, ganz wichtig, bilden Sonne und Lilith der Mutter ein Qua zum absteigenden MK von Veronika. Die Vorstellungen von Mutter und Sippe arbeiten quasi in die Versagensängste des Kindes hinein und verstärken, ja verfestigen diese.

Erwähnenswert finde ich noch, dass der Erd-Merkur und die Erd-Sonne der Mutter ein Qua zur Feuer-Sonne von Veronika bilden, d.h. die Gefahr besteht, dass die Erde der Mutter die Freude, Spontaneität und den Einfallsreichtum des Kindes einfach auslöschen. (Feuer wird mit Erde gelöscht).

Es ließe sich natürlich noch in viele Einzelheiten der Synastrie einsteigen, doch für die Frage der Mutter kann das Erarbeitete genügen.

In dieser Beratung habe ich natürlich zunächst die zur Frage relevanten Faktoren in Veronikas Horoskop besprochen. Doch dann bin ich sehr schnell zum Horoskop der Mutter übergegangen, um mit ihr die verbalen und nonverbalen Ansprüche an die schulischen Leistungen von Veronika zu besprechen. Die Ansprüche der Mutter, resultierend aus ihrer eigenen Kindheit und den Sippenansprüchen. Dann, natürlich, die Ansprüche, die Veronika von ihrem Wesen her an sich selber hat (Horoskop) und jene, die sie als Kind aus den Botschaften der Familie und Umgebung heraus in ihr Skript aufgenommen hat (IC, 4. Haus, Skriptachse in Schütze).

Wenn die Mutter es schafft ihren eigenen Anteil an Veronikas „Prüfungsstarre“ zu sehen und wenn sie dadurch lässiger mit den schulischen Leistungen von Veronika umgehen kann, dann werden die Versagensängste von Veronika sich vermindern. Gleichzeitig ist es notwendig, dass die Mutter sich erlaubt, den Sippenmythos „Wissen ist Macht“ langsam aufzulösen und, zunächst für sich selbst, zu begreifen und zu spüren, dass Nichtwissen nicht gleich Machtlosigkeit bedeutet.

Dann wird es ihr auch möglich sein, dem Kind sowohl verbal als auch nonverbal zu signalisieren, dass es Fehler machen darf, dass Fehler zum Leben und zum Lernen gehören, dass die Welt mit einer falschen Antwort oder einer schlechten Note nicht untergeht. Und, das ist das Wichtigste, dass Veronika geliebt wird, unabhängig von Wissen oder Noten. Dass sie sowohl viel wissen darf, vielleicht irgendwann mehr als die Mutter (?) als auch von Zeit zu Zeit schlechte Noten bringen oder unrichtige Antworten geben darf.

Doch der Weg dahin geht NICHT über Nachhilfe, mehr Lernen oder gar psychologische Hilfe für das Kind, sondern über die Veränderung der Mutter, die Veränderung ihrer Wünsche, ihrer Vorstellungen, ja letztlich ihrer Prägungen.

 

© Copyright Christl Oelmann

 

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